Neulich saß ich mit einem Klienten zusammen, der mir von einer Beobachtung erzählte: In seinem Umfeld, so sagte er, würden immer mehr Menschen Pläne für den Ernstfall schmieden. Sie redeten davon, was zu tun ist, wenn der Krieg kommt, wie man sich schützen, wie man überleben kann. „Alle bereiten sich auf das Schlimmste vor“ und fügte hinzu: „Ich will aber daran glauben, dass wir noch Ziele haben können, diesen Planeten in die richtige Richtung zu lenken – und Frieden und Wohlbefinden zu kultivieren.“
Vermeidungs- und Annäherungsziele: Zwei Seiten unseres Denkens
Seine Beobachtung erinnert mich an ein Modell aus der Psychologie, das zwischen zwei Arten von Zielen unterscheidet: Vermeidungsziele und Annäherungsziele. Es ist ein Gedanke, der ursprünglich von Klaus Grawe geprägt wurde und heute in der Positiven Psychologie eine große Rolle spielt. Vermeidungsziele drehen sich darum, etwas Schlechtes zu verhindern. Annäherungsziele dagegen richten sich darauf, etwas Gutes zu erreichen. Hier ein paar Beispiele:
Klimawandel: Vom Kampf gegen das Schlechte hin zur Gestaltung des Guten
Wenn ich auf die großen Themen unserer Zeit schaue, sehe ich überall diese beiden Haltungen. Beim Klimawandel etwa sprechen viele davon, was wir alles verhindern müssen: die Erderwärmung, Naturkatastrophen, das Artensterben. Das ist wichtig, keine Frage. Andererseits klingt es nicht kraftvoller, wenn wir davon sprechen, in erneuerbare Energien zu investieren, Städte grüner zu machen, Lebensräume zu schaffen? Wenn wir uns vorstellen, wie wir gemeinsam eine lebenswerte Zukunft bauen, statt nur den Untergang abzuwenden?
Frieden: Nicht nur verhindern, sondern aktiv gestalten
Auch beim Thema Frieden begegnet mir das immer wieder. Wir rüsten auf, bereiten uns auf Konflikte vor, wollen uns schützen. Gerade heute ist es umso wichtiger, weiter gezielt in Friedensarbeit zu investieren, Brücken zu bauen, Beziehungen zu stärken. Ja, die EU ist kompliziert, Deutschland hat sich auf dem Schutzschirm der NATO verlassen und die eigenen Verteidigungsfähigkeit schleifen lassen. Es ist gut das nachzuholen. Dennoch: die Vision, mit der meine Generation aufgewachsen ist, bleibt wichtiger denn je: Leben in Frieden. Für uns, für unsere Kinder. Mit Zuversicht.
Immigration: Sprache formt Haltung
Ein weiteres Beispiel ist das Thema Immigration. Zu häufig höre ich Formulierungen wie „Wir müssen verhindern, dass zu viele Menschen ins Land kommen“ oder „Wir wollen Überforderung vermeiden“. Solche Worte schaffen ein Klima der Angst und des Mangels. Wie anders klingt es, wenn wir sagen: „Wir wollen Integration ermöglichen“, „Wir schaffen Räume für Begegnung und Teilhabe“ oder „Wir investieren in eine vielfältige, offene Gesellschaft“? Auch hier entscheidet unser Wording darüber, ob wir Mauern bauen oder Brücken schlagen – und beeinflusst, ob wir uns als Gemeinschaft gestärkt oder bedroht fühlen.
Muster im Alltag: Kleine Worte, große Wirkung
Dieses Muster zieht sich bis in unseren Alltag. Wie oft sagen wir: „Ich will heute nicht in die Sonne.“ Oder: „Ich will keinen Streit.“ Oder: „Ich darf keinen Fehler machen.“ Das sind alles Vermeidungsziele. Sie halten uns im Mangel, im Rückzug, im Kleinmachen. Was wäre, wenn wir das umdrehen? Wenn wir sagen: „Ich möchte heute lieber im Schatten bleiben.“ Oder: „Ich wünsche mir Harmonie.“ Oder: „Ich will mein Bestes geben.“ Plötzlich öffnen sich Türen, neue Möglichkeiten tauchen auf, wir werden handlungsfähig.
Vermeidungsziele im Jobcoaching
Im Jobcoaching erlebe ich es immer wieder, wie sehr Zielsetzung und Sprache die Motivation meine KlientInnen beeinflussen. Oft höre ich Sätze wie: „Ich möchte nicht mehr arbeitslos sein, raus aus der Abhängigkeit vom Jobcenter. Ich will diese Selbstzweifel loswerden und nicht ständig Angst vor einer möglichen Überforderung haben. Ich will nicht immer platt und unausgeschlafen sein und keine Geldsorgen mehr haben.“ Das sind alles nachvollziehbare Wünsche – doch sie sind in erster Linie darauf ausgerichtet, etwas Negatives zu vermeiden.
… in Annäherungsziele verwandeln
Wenn meine KlientInnen diese Gedanken in Annäherungsziele verwandeln, verändert sich sofort die Energie. Plötzlich klingt es so: „Ich möchte eine erfüllende Arbeit finden, in der ich meine Stärken einbringen kann und finanziell unabhängig bin. Ich wünsche mir, mit mehr Selbstvertrauen neue Herausforderungen anzugehen und an meinen Aufgaben zu wachsen. Ich will mich energiegeladen, ausgeschlafen und sicher fühlen – sowohl körperlich als auch finanziell.“1
Diese Formulierungen richten den Blick nach vorn. Sie laden dazu ein, aktiv zu werden und eröffnen neue Perspektiven. Aus Angst wird Hoffnung, aus Mangel wird Zuversicht. Und genau das ist es, was Menschen brauchen, um Veränderungen wirklich anzugehen – im Kleinen wie im Großen.
Sprache prägt unser Leben
Sprache prägt unser Denken und Fühlen. Wenn wir immer nur vermeiden wollen, werden wir vorsichtig, vielleicht sogar ängstlich. Wenn wir uns aber auf das ausrichten, was wir erreichen wollen, entsteht Hoffnung, Energie, Freude.
Gerade wenn ich auf unsere Medienlandschaft und die politische Kommunikation schaue, wird diese Dynamik besonders deutlich. Viel zu oft höre ich in Talkshows, Nachrichten und von Politiker:innen vor allem die Sprache der Vermeidung: Die AfD muss verhindert werden, das Böse muss bekämpft, Gefahren müssen abgewehrt werden. Es wird über Verbote, Abgrenzung und das Verhindern gesprochen – selten aber über das, was wir gemeinsam erreichen wollen, wie wir unser Land gestalten möchten, welche positiven Visionen uns verbinden könnten. Genau diese Töne schüren Angst, verengen die Perspektiven und untergraben die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander. Wer nur über das spricht, was nicht sein darf, treibt Menschen in die Arme von extremen Parteien, die mit einfachen, scheinbar klaren Antworten locken.
Deshalb wünsche ich mir mehr positive Kommunikation aus der politischen Mitte und in unserem Alltag. Sprecht doch wieder darüber, wie es sein soll in einer besseren Version dieses Landes! Erzählt davon, wie Menschen frei sprechen können, wie Unterschiede in den Kulturen Interesse und Neugier auslösen, wie Vielfalt eine Bereicherung ist. Lasst uns gemeinsam Annäherungsziele formulieren, die Mut machen und Lust auf Zukunft wecken. Denn Sprache ist nicht nur Spiegel unserer Wirklichkeit – sie ist auch Werkzeug, um sie zu gestalten.
Unser Fokus entscheidet – wähle Annäherungsziele
Vielleicht ist genau das jetzt gefragt: Dass wir uns trauen, wieder Ziele zu haben. Dass wir nicht nur verhindern, sondern gestalten wollen. Dass wir den Blick heben und uns fragen: Wo wollen wir eigentlich hin? Was ist uns wirklich wichtig? Und wie können wir gemeinsam dafür losgehen? Das Gespräch mit meinem Klienten hat mich daran erinnert: Wir haben immer die Wahl, wie wir sprechen – und damit auch, wie wir leben.
Du bis auch gerade frustriert davon wie kommuniziert wird und siehst im Moment nur, was dich stört? Ich höre dir gerne zu und unterstütze dich, deine persönlichen Ziele positiver zu formulieren.
Ich bin Emily, Friedensforscherin und Übergangsgestalterin und begeistert für die Positive Psychologie. In Coaching, Supervision und Workshops mache ich die Inhalte der Wissenschaft des gelingenden Lebens praxisnah erlebbar und alltagstauglich anwendbar. Hier kannst du gleich deinen Termin für ein kostenfreies Erstgespräch oder einen positiven Austauschplausch vereinbaren:
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Ich freue mich darauf, dir zu begegnen!
- Ein weiterer Schritt im Coaching ist die Umformulierung in ein POSITIV-Ziel: „Ich finde eine erfüllende Arbeit, in der ich meine Stärken einbringe und ich bin finanziell unabhängig. Ich gehe neue Herausforderungen mit Selbstvertrauen an und ich wachse an meinen Aufgaben. Ich fühle mich energiegeladen, ausgeschlafen und sicher – sowohl körperlich als auch finanziell.“ ↩︎
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