Die Herausforderungen unserer Zeit – von Klimakrise über Migration bis hin zur sozialen Ungleichheit im Land und internationalen Entwicklungen, die sich unserer Kontrolle entziehen – verlangen nach klugen, langfristigen Entscheidungen. Doch genau diese Fähigkeit scheint uns in polarisierten politischen und gesellschaftlichen Debatten abhandenzukommen. Warum? Unser menschliches Gehirn ist evolutionär darauf programmiert, bei Gefahr im Überlebensmodus zu agieren. Wenn der „Säbelzahntiger“ hinter dem Busch lauert, zählt nur der eigene Vorteil. Dieses Denken führt in einen Tunnelblick, der langfristige Lösungen verhindert. Wie können wir diesen Modus durchbrechen und einen positiven Diskurs schaffen, der uns als Gesellschaft voranbringt?
Als Politologin und Friedensforscherin mit Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit habe ich gelernt, politische und soziale Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Heute, nach meiner Aus- und Weiterbildung in Positiver Psychologie frage ich mich: wir können wir die Erkenntnisse der Positiven Psychologie nutzen könnten, um politische Prozesse und gesellschaftliche Interaktionen zu verbessern?
Kann man im Überlebensmodus langfristige Brücken bauen?
Sag doch mal was Nettes!
Die heutige politische Landschaft ist oft geprägt von Polarisierung, Konflikten und einem Mangel an Empathie. Ein Beispiel dafür ist Lutz van der Horsts Experiment in der heute-show letzte Woche, bei dem Politiker gebeten wurden, etwas Positives über ihre politischen Gegner zu sagen – eine Übung, die vielen schwerfiel. Haben da Menschen verlernt, von Berufswegen, das Gute im Menschen gegenüber wahrzunehmen? Ist Empathie und Freundlichkeit nicht trotz unterschiedlicher politischer Meinungen möglich?
Polarisierung: Ein Teufelskreis des Misstrauens
Polarisierung ist nicht nur ein Unterschied in Meinungen, sondern oft ein emotionaler Graben zwischen „uns“ und „den anderen“. Studien zeigen, dass die sogenannte affektive Polarisierung – die emotionale Ablehnung anderer Gruppen – zunehmend Gesellschaften spaltet. Dieses Denken in „In- und Outgroups“ verstärkt Misstrauen und erschwert den Dialog. Medien, die Skandale betonen und Konflikte zuspitzen, tragen zusätzlich dazu bei. Und ja, es ist eine Gratwanderung, bei rechtem Gedankengut, die Unterscheidung in Mensch und Meinung zu machen.
Erschreckend finde ich dabei vor allem die Entwicklung in den öffentlich-rechtlichen Medien: Weil man den Blauen möglichst bloßstellende Fragen stellt, haben alle anderen Politiker dieses Vergnügen jetzt auch. Denn leider gilt: je mehr Skandal, Überspitzen, Polarisierung, desto besser für die Quote. (Statt: „Haben Sie schon vor Antritt als Kanzler versagt?“ könnte man durchaus auch fragen: „Was lernen Sie aus dieser Entscheidungsfindung, um es in ihrer Kanzlerschaft besser zu machen?“
Der Überlebensmodus: Warum wir irrational handeln
Die aktuelle politische Lage ist für viele Menschen beunruhigend, ja. Aber wie real sind die Bedrohungen? Müssen wir täglich Angst haben gefressen zu werden? Oder werden wir von Medien und negativen Diskurs in den Überlebensmodus versetzt? Dann dominiert das limbische System unseres Gehirns. Es reagiert auf Bedrohungen mit Kampf oder Flucht – eine Strategie, die in der Steinzeit sinnvoll war, heute aber oft kontraproduktiv ist. In polarisierten Debatten führt dies dazu, dass Menschen sich auf ihre Positionen versteifen, anstatt gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Empathie und Rationalität treten in den Hintergrund.
Positive Kommunikation: Brücken bauen statt Mauern errichten
Positive Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil der Positiven Psychologie. Sie fördert Empathie, Verständnis und Zusammenarbeit. In politischen Debatten könnte eine radikal freundliche Kommunikation dazu beitragen, Konflikte zu entschärfen und gemeinsame Lösungen zu finden. Statt sich auf Unterschiede zu konzentrieren, könnten wir lernen, Gemeinsamkeiten hervorzuheben – ein Ansatz, der auch in polarisierten Gesellschaften Brücken schlagen kann und auch in der Friedensarbeit genützt wird: weg vom vermeintlich Trennenden, hin zu dem, was als Gesellschaft vereint.
Was wir aus einem Caching nach positiver Psychologie lernen können
Was können wir aus der individualpsychologischen Positiven Psychologie für unserer Gesellschaft lernen? Dazu frage ich mich, woran ich mit einer Klientin arbeite, die sich selbst in einem sehr negativen Licht sieht und die gerade keine zuversichtliche Perspektive für ihre berufliche Zukunft aufbringen kann, der alles zu viel und zu wirr ist und die nicht weiß, wo die Prioritäten setzen, die vielleicht innerlich zerrissen ist, wo es lang gehen soll und sich vor Entscheidungen scheut.
- Selbstmitgefühl: Ja, das ist gerade nicht leicht. Es gibt viele gute Gründe, pessimistisch zu sein. Und es ist auch gut und legitim, mal wütend, frustriert oder antriebslos zu sein. Anderen geht das oft auch so. Und trotzdem, du darfst auch in den Blick nehmen, was du schon erreicht hast.
- Positve Emotionen: Wir erinnern uns im Gespräch daran, wie es ist, sich gut zu fühlen. Z.B. wie sich der Mauerfall angefühlt hat. Diese Mischung aus purer Freude und dem Gefühl, dass alles möglich ist.
- Stärken: Wir erarbeiten ein individuelles Stärkenprofil. Ein Mensch, der für Zuverlässigkeit, Qualität und Urteilsvermögen steht, sollte diese Stärken ausleben. Vielleicht stellt meine Klientin fest, dass sie sich noch vollständiger fühlen, wenn sie ihre weniger ausgeprägten Stärken wie Empathie und Freundlichkeit aktiv kultiviert und fördert?
- Sinn: Jeder Mensch hat seinen ganz besonderen Ort, an dem es sich für ihn sinnvoll anfühlt, sich zu engagieren. So auch jedes Unternehmen und auch öffentliche Verwaltung ist nicht sich selbst zum Zweck erfunden worden. Vielleicht kann es meiner Klientin helfen, wieder mehr Fokus auf das „why“ zu legen: Wozu engagiert sie sich? Konsum, Macht, besser und reicher sein als andere? Oder für ein gutes Leben in Verbindung, Frieden und mit Zukunftsperspektive für kommende Generationen? Wofür will sie denn stehen?
- Positive Beziehungen: Daraus ergibt sich im Gespräch mit meiner „Klientin“ ein weiteres Thema sie sagt: Die Nachbarn von Oben machen es doch viel besser und ranken höher im Glücksindex, warum kann ich das nicht auch? Hilft es ihr weiter, sich zu vergleichen? Nein, denn sofort kommen die Argumente, dass „die anderen“ ja auch ganz andere Voraussetzungen haben. Anstatt sich abzugrenzen und Grenzen hoch zu ziehen, könnte die Klientin mal anschauen, was genau sie an den Nachbarn bewundert. Vielleicht entsteht daraus ein neue Inspirationsquelle für das eigene Handeln (es entsteht ein Bild: eine gemeinsame Supervisionsrunde von Menschen, die sich gegenseitig inspirieren und gemeinsam aufblühen… ).
- Selbstwirksamkeit: Im Gespräch über den Vergleich zu anderen Menschen stellt meine Klientin fest, dass sie sich ziemlich einsam fühlt. Und als ich sie frage, wo sie dennoch gute Verbindungen pflegt, wird die Liste länger als ihr bewusst war. Und ihr wird klar, dass sie selbst dazu beitragen kann, positive Beziehungen zu führen. Durch eine wohlwollende Haltung anderen und auch anders-denkenden Menschen gegenüber. Da blitzt wieder die Stärke „Freundlichkeit“ auf, die sie in Zukunft mehr kultivieren möchte.
Meine Klientin verlässt das Coaching gestärkt und ist nicht mehr davon überzeugt, dass es mit ihr den Bach runter geht. Sie gewinnt wieder etwas Optimismus zurück.
Praktische Ansätze für einen positiven Diskurs
Diese Gedankenspielerei, eine mutwillige Überschreitung von Systemebenen und mit wissenschaftlich sicher unzulässigen Übertragungen soll nur aufzeigen, dass in der positiven Psychologie Potential schlummert. Und sie Fragen bereithält, die wir nicht nur uns selbst, sondern auch unserer Gesellschaft stellen können:
Wie möchtest du leben? Und wie sieht die beste Version von dir selbst in 3, 5, 20, 60 Jahren aus?
Ich bin sicher, dass es zeit-, raum-, und parteiübergreifende Antworten darauf gibt. Eine Vision, positive Annäherungsziele, langfristige Perspektiven. Denn gerade in gefühlten Krisenzeiten sollten politische Entscheidungen nicht nur kurzfristige Vorteile bieten, sondern auch langfristige Folgen berücksichtigen.
Wenn Schlechtreden, Polarisieren, Zweifeln, Ausgrenzen, Runtermachen, Vermeidungsziele, Feuerlöschen, kurzfristiges Kitten, gegeneinander arbeiten und auf der Sachebene bleiben nicht hilft, warum versuchen wir es dann nicht mit Emotionen, positiver Kommunikation, Verständnis, Verbindung, Kompetenzen an den richtigen Stellen, langfristigen Visionen und Zielen, Selbstwertschätzung, Dankbarkeit und Freundlichkeit?
Lasst uns gemeinsam nicht die Schwächen unserer Politiker oder der Demokratie aufzählen, sondern die Stärken in unserer Stadt, Gemeinde oder unseres Land sehen. Denn diese Stärken sind alle da.
Nach der inneren Friedensforschung und der Entdeckung der Positiven Psychologie finde ich wieder zu Themen zurück, die mich in meinen vorherigen Berufsleben bewegt haben. Ich möchte diese Verbindung zwischen Friedensforschung und Positiver Psychologie weiter verstärken. Und ich freue mich auf wohlwollende Diskussionen darüber, wie wir gemeinsam Denken, Fühlen und Handeln in unserer Gesellschaft positive gestalten können!
Ich bin Emily, Friedensforscherin und Übergangsgestalterin und begeistert für die Positive Psychologie. In Coaching, Supervision und Workshops mache ich die Inhalte der Wissenschaft des gelingenden Lebens praxisnah erlebbar und alltagstauglich anwendbar. Hier kannst du gleich deinen Termin für ein kostenfreier Erstgespräch oder einen positiven Austauschplausch vereinbaren:
Ich freue mich darauf, dir zu begegnen!
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