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Zeitreise in die 80er

Das Badische Landesmuseum zeigt noch bis Februar 2024 die Ausstellung „Die 80er – Sie sind wieder da!“ und in der Tat, haben wir bei vielen Exponaten gedacht: ja, das sind genau die Themen unserer Zeit. Die Ausstellung war für mich eine Zeitreise in die Kindheit, in Politik, Wohnzimmer, Spiele- und Musikwelt, deutsch-deutsche Teilung und Wiedervereinigung sowie ein Bewusstwerden, dass man mit Anfang 40 schon auf ein Stück Zeitgeschichte zurückblickt, das man miterlebt hat.

Titelbild der Ausstellung die 80er sie sind wieder da!

Themen unserer Zeit

Am 26. April 1986, dem Tag der Katastrophe von Tchernobyl, feierte ich meinen vierten Geburtstag. Deutschland brauchte die Katastrophe von Fukushima 2011, um den Atomausstieg zu beschliessen. Heute, 12 Jahre später, sind die letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz genommen und man diskutiert auf der Weltklimakonferenz die Vorzüge des Atomstroms für die Energiewende…

Ich bin Jahrgang 1982 und war für die politischen Themen der 80er damals noch zu klein. Trotzdem erinnere ich mich an die Slogans „Frieden schaffen ohne Waffen“, „Atomkraft nein Danke“ oder den Skandal ums Waldsterben. Ich betrachte in der Ausstellung die Dokumentation über die demonstrierenden Menschen: für Umweltschutz, gegen Umweltzerstörung, z.B. gegen den Bau einer weiteren Startbahn für den Frankfurter Flughafen oder gegen Konzerne, die durch Nachlässigkeit Umweltkatastrophen verursachen.

Friday for Future und die Letzte Generation demonstrieren heute für mehr Einsatz gegen den Klimawandel, die Friedensdemos vom ersten Mai werden immer friedlicher – die Teilnehmer werden älter. Mein Generation steht irgendwo dazwischen und es kommt mir so vor, als hätte ich meine Kindheit in einer sorglosen Bubble verbracht. Nachdem ich Internationale Politik und Friedensforschung studiert und in der Entwicklungszusammenarbeit meinen kleinen Beitrag zu leisten versucht hatte, bin ich nun bei Themen der inneren Friedensforschung gelandet. Ganz gewiss Themen, die in den 1980ern noch kaum Raum in der öffentlichen Wahrnehmung fanden. Mentale Gesundheit war kein Thema, psychische Erkrankungen absolute Privatsache.

Gesellschaftliche Skandale

Die 1980er stehen auch für die weltweite Aidspandemie und dafür das Sexualität und gleichgeschlechtliche Liebe nicht nur in Kunst und Musik in die Öffentlichkeit treten. Ein Werbespot in dem die Kassiererin schreit „Was kosten denn die Kondome“ räumt dem Thema auf einem kleinen Röhrenfernseher seinen Platz in der Ausstellung ein.

1980 wurde gesetzlich die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz beschlossen. Es sollte ein Skandal sein, dass die formale Umsetzung bis heute nicht gelungen ist. Eine andere traurige Seite ist, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit immer wieder sexuelle Skandale zu Tage fördert, Stichworte: MeToo, Missbrauchsskandal in der Kirche.

80er Jahre aus Kleinkindperspektive

Ich bin noch in den 1980ern eingeschult worden, die Wende wurde vollzogen, Helmuth Kohl, die Birne, war gefühlt schon immer Kanzler, die Musik der 80er hallte nach, aber Boybands, HipHop, Punk und die Kelly Familie forderten auch ihren Raum. Deshalb sprachen in der Ausstellung vor allem die visuellen Eindrücke meine Erinnerung an: Die Wohnzimmerbilder mit übervollen Bücherregalen, die gab es bei meinen Eltern auch. Die kommerziellen Artikel, von denen einige inzwischen in einer Notalgie-Retro-Edition wieder auf dem Markt sind (Ryder, Kinderschokolade, Ferrero Küsschen oder Schauma). Aber auch die haptischen Erinnerungen: mal wieder einen Gameboy in der Hand halten, die Finger finden sehr schnell heraus, wie Super Mario läuft und springt.

Schön auch zu sehen, was mich bis heute begleitet: Aus einem Übungsbuch von Jane Fonda, das ich als Jugendliche bei meiner Mutter im Regal gefunden hatte, stammen einige meiner Lieblingsübungen für die kleine Fitness zu Hause – inzwischen kombiniert mit Übungen aus dem Mama-Yoga. Allerdings ohne das entsprechende Outfit. Und natürliche sind da einige Dachbodenfunde aus meiner Kindheit, die mit meinen Kindern nun wieder zum Leben erweckt werden, wie z.B. die Deutschlandreise. (Apropos Deutschlandreise: 1988 war ich zu Besuch bei meiner Tante in Berlin und wir haben von einem Aussichtsgerüst aus in den Osten geschaut – damals genauso einprägsam wie es heute in der Erinnerung skurril anmutet.)

Zurückhorchen in die 80er

Meinen Walkman habe ich vor ein paar Monaten achtlos in eine „zu verschenken Kiste“ gelegt – die Kassetten, die ich sorgfältig aus dem Radio mitgeschnitten hatte, stehen aber noch im Regal (wobei die größtenteils in den 1990ern entstanden sind). Die Ausstellung bietet nicht nur die Erinnerung an die Musikszene mit über 100 Plattencover und dem Konzertplakaten u.a. von den Stones und für das erste „Das Fest“ in der Günther Klotz-Anlage in Karlsruhe 1985. Die Sammlung ist auch auf Spotify zusammengestellt worden – horcht doch mal rein!

Wenn ich zurück horche in die 1980er, dann höre ich vor allem Kinderlachen, manchmal auch Gezanke mit meiner Schwester. Ich sehe Wege, die man halt geht ohne sich Gedanken darüber zu machen, ich spüre Sicherheit (auch, dass all das Übel der Welt für mich weit weg ist). Ich rieche aber auch das Meer und den Schnee – es war erstaunlich normal, dass wir zweimal im Jahr in den Urlaub gefahren oder geflogen sind. Und ich schmecke die schnellen einfachen Gerichte zu Mittag mit freundlicher Unterstützung von Bofrost.

Meine Kinder werden sich an die 2020er erinnern

Was meine Kinder wohl in 40 Jahren über Zweitausend-20er sagen werden? Vielleicht das ihre Kindheit ähnlich friedlich und „normal“ war. Dass sie am Rande die „Aufregung“ um den Klimawandel und die letzte Generation mitbekommen haben. Dass es da im Einschulungsjahr eine Pandemie namens Corona gab und in Europa ein Krieg herrschte, der aber noch recht weit weg war (so wir für uns in den 1990ern der Bosnienkrieg).

Wie werden sie sich an uns erinnern? Ich hoffe doch sie werden sich an Menschen erinnern, die in all der aktuellen Aufregung der Welt die Ruhe bewahrt haben und ihnen die Zuversicht und die Bodenständigkeit mitgegeben haben werden, in der multidimensionalen und schnellen Welt von morgen ihren eigenen Weg zu gehen. Und Überraschung: So erinnere ich mich an meine Eltern in den 1980ern. Es war alles schon mal da.

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