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Optimismus – weniger ist mehr?

Ist die Keksdose halb voll oder halb leer? Bei mir ist sie noch ziemlich voll und zum Glück habe ich zur Zeit auch die Motivation viel Sport zu machen, so dass die Plätzchen nicht direkt auf die Hüften wandern. Wie viel Optimismus einem Menschen gut tut, wird in der positiven Psychologie erforscht. Optimismus ist Veranlagung, kann zu Fehlerwartungen führen, Hilft uns durch unwegsames Gelände und kann erlernt werden.

Optimismus als Charakterstärke

Hoffnung ist eine der 24 Charakterstärken, die wir alle in uns tragen. Es gibt Menschen, bei denen der Optimismus stark ausgeprägt ist, bei denen das Glas immer halb voll ist. Das kann zu mehr Risikobereitschaft im positiven Sinn führen, aber auch zu selbstschädigenden Verhalten. Der optimistisch geprägte Mensch blickt zuversichtlich in die Zukunft, unabhängig davon, was er selbst dazu beiträgt. Optimistisch geprägte Menschen leben gesünder und verfügen über ein besseres Immunsystem als pessimistisch eingestellte. Optimismus korreliert auch mit geringerer Ängstlichkeit. Dispositionale Optimisten handeln anders als Menschen, deren Zuversicht nicht stark ausgeprägt ist.

Die Charakterstärke der Hoffnung hat mit positiven Erwartungen an die Zukunft zu tun. Dazu gehört optimistisches Denken und die Konzentration auf die guten Dinge, die noch kommen. Hoffnung ist mehr als ein Wohlfühlgefühl. Es handelt sich um eine handlungsorientierte Stärke, die Entscheidungsfreiheit, Motivation und Zuversicht beinhaltet, dass Ziele erreicht werden können und auch viele effektive Wege gefunden werden können, um in die gewünschte Zukunft zu gelangen. Optimismus ist eng mit einem bestimmten Erklärungsstil verbunden (wie wir die Ursachen schlechter Ereignisse erklären). Menschen mit einem optimistischen Erklärungsstil interpretieren Ereignisse als intern, stabil und global. Wer einen pessimistischen Erklärungsstil verwendet, interpretiert Ereignisse als äußerlich, instabil und spezifisch.

https://www.viacharacter.org/character-strengths/hope

Optimismus als Attributionsstil

Im Coaching verwende ich gerne das Modell der Attributionsstile von Seligman: In Bezug auf Situationen die als Erfolg oder als Misserfolg gewertet werden, wird die Ursachenzuschreibung untersucht: Was habe ich dazu beigetragen? Ist das in ähnlichen Situationen immer so oder nur in dieser? Gilt das auch für andere Kontexte? Je nach Erfolgserleben in der Situation sind unterschiedliche Attributionsstile hilfreich.

Ursachenzuschreibungen nach Seligman

In als Misserfolg gewerteten Situationen lohnt es sich zu betrachten, ob ich alleine dafür verantwortlich bin, oder ob auch andere Personen involviert sind. Ist das immer so? Vielleicht war es ein ganz besonderer Kontext und das erlebte Scheitern erlaubt keine Verallgemeinerung? So können externale, variable und spezifische Erklärungen für das Misslingen gefunden werden.

In erfolgreichen Situationen hingegen lohnt es sich genauer hinzuschauen, was ich dazu beigetragen habe. In wessen Verantwortung lag der Erfolg? Ist es eine Ausnahme gewesen, oder gibt es ähnliche Situationen, in den ich auch erfolgreich war? Kann ich dieses selbstwirksame Erfolgserleben auch auf andere Kontexte übertragen? Ein optimistischer Attributionsstil hilft, Erfolge als die eigenen Erfolge wahrzunehmen und Misserfolge zu relativieren.

Optimismus ist erlernbar

Die eigenen Attributionsstile zu betrachten und eventuell zu überdenken ist auch deshalb so wichtig, weil sie nicht nur Verhalten in Situationen aus der Vergangenheit erklären, sondern auch die Selbstwirksamkeitserwartung in der Gegenwart und die Zukunftserwartung beeinflussen.

Ursachenzuschreibung, Selbstwirksamkeitserwartung, Zukunftserwartung Seligman

Seligman beschreibt den Menschen als ein zukunftsorientiertes Wesen (homo prospectus): Wir schöpfen aus den Erfahrungen der Vergangenheit um unsere Zukunftserwartungen zu erstellen. Dabei haben wir die Freiheit, unsere Interpretation des Vergangenheit so zu überarbeiten, dass sie uns unterstützen, positive Zukunftserwartungen zu haben. Das Erlernen von Optimismus hat also damit zu tun, das „bei ist immer alles schief gegangen“ zu verändern in „in dieser einen Situation, in diesem spezifischen Kontext hat etwas nicht geklappt wie ich es wollte“. Und das „das war nur Glück, dass das mal geklappt hat, ich hatte zufällig die passende Unterstützung“ in „es war mein persönlicher Erfolg, dass ich diese Herausforderung so gut gemeistert habe“.

Klingt leicht? Dann go on, Optimist. Klingt kompliziert und wird eh nicht klappen? Dann bewahre deinen gesunden Realismus und deinen defensiven Pessimismus – es auszuprobieren lohnt sich vielleicht trotzdem?

Komptenzerwartungen

In herausfordernden Situationen ist die Erwartung, wie man die Lage meistert, entscheidend für das Stresserleben und z.B. das Ertragen von Schmerzen. Wie schätze ich meine eigene Kompetenz ein, mit der Herausforderung umzugehen? Auch bei chronischen Schmerzen, der Entwöhnung von Abhängigkeiten oder dem Aufbau von Gesundheitsverhalten hilft der funktionale Optimismus, Stress zu reduzieren: Wenn ich daran glaube, dass ich es schaffe, wird es einfacher.

Im Gegensatz dazu kann ein defensiver Pessimismus dazu genutzt werden, die eigene Selbstwirksamkeitserwartung nach unten zu schrauben und so das Scheitern vorwegzunehmen: Ich gehe lieber davon aus, dass ich die Prüfung nicht besteht, dann bin ich nicht so enttäuscht wenn es eintritt, bzw. kann mich auch über ein knappes Bestehen noch sehr freuen.

Optimism-Bias

Die optimistische Fehlerwartung bezeichnet ein grundlegend menschliches Denken: Wir unterschätzen Krankheitsrisiken, bzw. schätzen das Risiko z.B. an Krebs zu erkranken als etwas geringer ein, als es das statistische Mittel vorgibt. Diese Optimistische Fehlerwartung schützt und davor, den Kopf in den Sand zu stecken, angesichts erschreckender statistischer Zahlen: Jedes Jahr sind 28% der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen. Das ist eine Person von vier Menschen in deinem Freundeskreis – du selbst wahrscheinlich nicht, siehe optimis bias.

Wie viel Optimismus brauchen wir?

Optimismus ist weit mehr als „alles wird gut“. Wir brauchen Zuversicht, um in ungewissen Zeiten nicht vom Schlimmsten auszugehen, um trotz stressigen Herausforderungen in die Entspannung zu finden, auch mal Pausen zuzulassen und zu regenerieren. Ein optimistischer Attributionsstil trägt zu unserem Selbstwirksamkeitserleben bei, stärkt unsere Handlungsfähigkeit und die Bereitschaft, etwas zum Gelingen beizutragen.

Wie schaust du auf die bevorstehenden Weihnachtsfeiern? Gehst du davon aus, dass der Stress schon nachlassen wird und du die Feiertage irgendwie rum bringst ohne dass allzu viele Familienkonflikte ausgetragen werden (defensiver Pessimismus)?

Versuche dir vorzustellen, dass du selbst dazu beitragen kannst, dass genau dieses Weihnachten ein ganz besonderes Fest mit vielen lieben Menschen wird, die sich wohlwollend begegnen, die Beiträge eines jeden Einzelnen wertschätzen und in Liebe und Dankbarkeit beisammen sind.

Frohe Weihnachten!

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