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Das Leben rückwärts rudern

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“ (Sören Kierkegaard)

Heute war es windig im Rheinhafen. Beim Rudern glich keine Bahn der anderen, jedes Hafenbecken hatte seinen ganz eigenen Wind. Nach jeder Wende fand eine Neuausrichtung statt: Veränderungen der Technik, der Kraft, der Schlaglänge, der Frequenz. Im Team gemeinsam den Rhythmus finden und individuell an der eigenen Technik feilen. Und während ich so ruderte habe ich über den Perspektivenwechsel beim Rudern nachgedacht und wie das Bild im Coaching genutzt werden kann.

Rückwärts im Boot

Im Ruderboot sitzt du rückwärts. Hintereinander. Auf dem ersten Platz im Boot, sitzt der Steuermann. Er hat den Rest der Mannschaft im Blick und blickt sich nach vorne um, um zu steuern. Nummer 2, 3, 4 oder 5, je nach Boot, sitzt ganz hinten, Blick auf die abgefahrene Strecke und gibt den Takt an. Wie bei allen Booten ist Backbord links, aber du hältst das Backbordskull in deiner rechten Hand, da du rückwärts im Boot sitzt. Steuerbord ist links von dir, aber rechts vom Boot. Ich muss zugeben, dass ich das kognitiv nicht auf die Reihe bekomme. Ich habe mir gemerkt, dass Backbord rot markiert ist und dass das grün markierte Skull immer auf der Seite der Stegs eingelegt wird. Das Denken in rechts und links muss ich im Ruderboot über Bord werfen, sonst wird es zu kompliziert.

Woher weht der Wind?

Denn die Fahrt geht weiter: Wenn das Boot Gegenwind hat, bläst dir der Wind in den Rücken. Das Boot liegt stabil im Wasser und du brauchst Kraft um es voranzubringen. Schaust du auf das Wasser unter dir, fließt es sehr schnell unter dem Boot hindurch. Schaust du neben dich ans Ufer kommst du nur sehr langsam voran. Schlag um Schlag, Meter um Meter kriecht das Boot voran. Am Ende der Bahn kommt die Wende. Fährt dein Boot dann mit dem Wind spürst du so etwas wie Windstille oder eine leichte Brise von vorne. Das Boot ist leicht und fliegt, aber es ist instabil. Du achtest auf deine Technik und darauf die Balance zu halten, die Hände bei jedem Schlag auf einer Höhe. Das Wasser unter dir steht, das Ufer fliegt vorbei.

Rudern als Metapher für dein Leben

Stell dir vor du ruderst dein Leben. Du lebst dein Leben und dabei stehst du aber nicht auf einer Timeline mit deiner Vergangenheit im Rücken und deiner Zukunft vor dir, sondern genau anders herum.

Rudern, Perspektivenwechsel

Das Ziel liegt hinter dir

Wenn du hinter dich schaust, ist dort ein Ziel du kennst es in etwa aber du weißt nicht genau wie nah du ihm bist. Du müsstest dich andauernd umdrehen, aber das destabilisiert dein Boot. Es ist auch nicht relevant wie weit dein Ziel genau entfernt ist: der Weg ist das, was relevant ist.

Nach vorne schauen und die Vergangenheit sehen

Wenn du vor dich schaust, schaust du zurück. Du siehst Wasser, du siehst Kreise und Wellen und Strudel die deine Ruder im Fluss des Lebens hinterlassen haben. Du siehst durch welche Wetter du gefahren bist vielleicht bist du noch feucht vom Regen, siehst hinter dir aber schon, wie die Sonne wieder zu scheinen beginnt. Du siehst Landschaften die schon lange vorbeigezogen sind und siehst nicht mehr mit Genauigkeit, wo du herkommst.

Aber du hast noch Erinnerungen daran und du kannst wählen, welche Erinnerungen du für dich konserviert. Da war ein Graureiher, der starr am Ufer stand, auf der Suche. Zwei Störche, die über dem Wasser kreisten und einen Tanz vollführten. Du kannst dich an den Sonnenuntergang erinnern, der am Horizont des Wassers in orange und helles lila getaucht hat. In der Kulisse des Hafens erinnerst du dich an das Boot das eine Zeit hinter dir fuhr und dann abbog. Du kannst deine Bilder in deiner Erinnerung wieder lebendig werden lassen und du kannst die Bilder wählen, die dir Kraft geben. Du kannst heute entscheiden, welche Bilder du behältst und wie die Erzählung über dein Leben aussieht.

Konzentration aufs Hier und Jetzt

Während du rückwärts im Leben stehst konzentrierst du dich vor allem auf das Hier und Jetzt. Die Beine strecken, die Arme anziehen, die Skulls aus dem Wasser heben, drehen nach vorne rollen, die Blätter wieder drehen und einsetzen, mit Kraft den nächsten Schlag rudern. Du kommst voran in deinem Hier und Jetzt. In jedem Moment bewegst du dich, so dass mit der aktuellen Bewegung wieder etwas Neues vor dir liegt, was erlebt wurde. Und du kommt deinem Ziel ein Stück näher.

Wellen und Lebenslinien

Haben wir gelernt, das Leben sei linear? Es gebe eine Vergangenheit, einer Gegenwart und eine Zukunft? Wie sieht diese Timeline aus? Ist es eine Linie auf der du steht und gehst? Mit Gewissheit können wir nur das kennen was Jetzt gerade ist. Alle vergangenen Wellen werden Teil unserer Interpretation und alles was sein wird, existiert nur in unserer Vorstellungskraft. Dennoch gehört zu einem gelingenden Leben der Dreiklang: Eine gute Erzählung über das bereits gelebte Leben, ein Gefühle des authentisch-Seins im Hier und Jetzt und eine Zukunftsvision, eine Idee von dem Steg an dem wir anlegen werden und der uns eine Richtung vorgibt, in die wir weiter Schlag um Schlag rückwärts durchs Leben rudern.

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